Zeitungen in einem Zeitungsständer beim Händler

25 Jahre Arbeitsgruppe Lokale Agenda 21


Die Arbeitsgruppe Lokale Agenda 21 feiert Jubiläum: Vor 25 Jahren wurde sie in Seeheim-Jugenheim gegründet. Die unabhängige Gruppe bezieht ihren Namen auf ein Aktionsprogramm der Vereinten Nationen, das 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurde und Leitlinien für das 21. Jahrhundert zu Ökonomie, Ökologie und Nachhaltigkeit definiert. Das Motto ist dabei „Global denken – lokal handeln!“. Etliche Projekte hat die Arbeitsgruppe in diesem Sinne initiiert und erfolgreich in die Umsetzung begleitet. Dazu zählen unter anderem die schnelle Straßenbahnlinie 6, die Umgestaltung des Seeheimer Sebastiansmarkts sowie die Radwegverbindung zwischen Seeheim und Pfungstadt.

Drei Mitglieder der Arbeitsgruppe, Prof. Karl Listner, Xavier Marc und Sabine Mahler, schildern die Beweggründe für ihr Engagement und beschreiben die Erfolge, die die Gruppe erreichen konnte, sowie die Themen, an denen zurzeit gearbeitet wird.


Herr Listner, Sie gehören zu den Gründungsmitgliedern. Was war 1999, sieben Jahre nach der Konferenz in Rio und kurz vor dem Start ins 21. Jahrhundert, der Impuls, die Arbeitsgruppe hier in Seeheim-Jugenheim zu gründen?

Karl Listner: Der in den 1970er Jahren gegründeten Gesamtgemeinde Seeheim-Jugenheim fehlte ein gemeinsames Ortszentrum. Zwar wurde dazu das Rathaus in Seeheim bestimmt, aber die verschiedenen Abteilungen der zentralen Verwaltung waren leider nicht in einem gemeinsamen Bereich untergebracht, was glücklicherweise zurzeit entsteht. Die Idee der Agenda-Gruppe war daher, sich an einem „Zusammenwachsen“ der sieben Ortsteile zu beteiligen. So gab es beispielsweise eine intensive Mitwirkung bei der Neugestaltung der Ortsdurchfahrt der L 3103, mit der Einführung eines Minikreisverkehrs in Jugenheim. Auch die Zusammenarbeit zwischen Seeheim-Jugenheim und den Nachbargemeinden wurde intensiviert. So nimmt beispielsweise auch heute noch stets ein Pfungstädter Bürger an unseren Agenda-Sitzungen teil.


Herr Marc, Sie kamen ein paar Jahre später hinzu. Was war Ihre Motivation?

Xavier Marc: Auslöser war die schlechte Anbindung Seeheim-Jugenheims für den Radverkehr. Diesen Zustand hielten viele meiner Mitmenschen und ich schon für nicht mehr zeitgemäß und fingen an, über Verbesserungsmöglichkeiten nachzudenken. Durch einen Artikel im örtlichen Wochenblatt wurde ich auf die Arbeitsgruppe der Lokalen Agenda aufmerksam, stieß einfach dazu und wurde herzlich aufgenommen.

 

Frau Mahler, Sie sind erst seit Kurzem Mitglied der Arbeitsgruppe. Was hat Sie dazu bewegt?

Sabine Mahler: In Seeheim, zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen, habe ich immer wieder Situationen erlebt, wo ich dachte: Hier müsste es doch möglich sein, etwas für die Fußgänger und Radfahrer zu verbessern. Insbesondere fehlen durchgehende Radwege nach Darmstadt oder zum Bahnhof Bickenbach, um schnell und sicher mit dem Fahrrad fahren zu können. Es geht mir aber auch um zu schmale Gehwege, schwierige Straßenquerungen oder Ampelschaltungen mit zu langen Wartezeiten. Für größere Besorgungen finde ich einen Lastenradverleih interessant, den andere Kommunen ja schon nutzen. Deshalb engagiere ich mich nun in der Agenda-Gruppe. Ich möchte aktiv durch Beiträge und Diskussionen helfen, Lösungsvorschläge für diese und andere Themen zu entwickeln, um Verbesserungen für Seeheim-Jugenheim zu erreichen.

 

Neben Ihnen Dreien zählt die Arbeitsgruppe aktuell etwa 15 weitere Mitglieder. Was sind die Themen, die Sie zurzeit beschäftigen?

Xavier Marc: Zurzeit beschäftigt sich die Arbeitsgruppe mit dem Schulverkehr rund um das Schuldorf und die schrittweise Umgestaltung des öffentlichen Raums im Bereich des Einkaufszentrums am Grundweg. Beide Orte sind durch Kfz-Verkehr ziemlich belastet. Erklärtes Ziel ist es, dort den Aufenthaltswert zu steigern und die Sicherheit, insbesondere für Fußgänger und Radfahrer, nachhaltig zu verbessern. Ebenfalls wichtig ist auch das vorsorgliche Mitdenken der Folgen des Klimawandels, die ohnehin bei uns schon deutlich zu spüren sind. Unsere Gemeinde soll doch lebenswert bleiben!

 

Wenn Sie in die Vergangenheit schauen: Was ist Ihr größter Erfolg?

Xavier Marc: Der spektakulärste Erfolg wurde gemeinsam mit der Agenda-Gruppe aus Pfungstadt erzielt. In nur drei Jahren (2004 bis 2007) ist es gelungen, die circa ein Kilometer lange Lücke in der Radwegverbindung zwischen dem Ortsausgang Seeheim (Friedrich-Ebert-Straße) und dem Ortseingang Pfungstadt am ehemaligen Hallenbad zu schließen. So schnell ist hierzulande noch kein Radweg gebaut worden!

Karl Listner: Die Maßnahmen, die wir am Villenave D’Ornon-Platz initiiert haben wie der Gastronomiebetrieb oder die Boule-Anlage, haben wesentlich dazu beigetragen, dass die gesamte Anlage sich als beliebter Ort im Zentrum von Seeheim etablieren konnte.

Eine weitere erfolgreiche Idee der Agenda-Gruppe war, die Ortsdurchfahrt von Seeheim ähnlich wie in Zwingenberg oder Auerbach mit früh blühenden Bäumen und Beeten zu gestalten, wobei nach wie vor die Strecke der L3100 zwischen dem  Anschluss an die B 426 und dem Ortseingang von Seeheim erheblich verbessert werden sollte.

 

Sind Sie sich immer einig in Ihren Anliegen und Ansätzen?

Sabine Mahler: Es gibt natürlich durchaus unterschiedliche Wahrnehmungen und entsprechend verschiedene Meinungen bei Themen und Lösungsvorschlägen. Letztlich entscheidet dann die Mehrheit.

Xavier Marc: Die Arbeitsgruppe pflegt ein harmonisches und offenes Miteinander, so dass Konsens immer gefunden wird.  Und gelegentliche Erfolgserlebnisse in gemeinsamen Anliegen, egal ob groß oder klein, schweißen halt die Gruppe zusammen.

 

Als unabhängige Arbeitsgruppe können Sie gegenüber den politischen Entscheidungsträgern in der Kommune nur Handlungsvorschläge machen und Empfehlungen aussprechen. Wie empfinden Sie diese Rolle?

Sabine Mahler: Ich sehe dies sehr positiv als hilfreiche Unterstützung für die Verwaltung und die Gemeindepolitik, um die Bürgerinteressen und - betroffenheiten besser zu ermitteln und berücksichtigen zu können. 

Xavier Marc: Die Arbeitsgruppe ist von kreativem Bürgerengagement geprägt, wobei die konkrete Umsetzung stets mitgedacht wird. So konnte die Arbeitsgruppe bis heute als Ideengeber für unsere Gemeinde fungieren. Das zeigen einige Handlungsvorschläge, die von der Politik und der Verwaltung übernommen und beschlossen wurden.

 

Zum Schluss Ihr persönliches Fazit: Wie ist es um die globalen Ziele der Agenda 21 bestellt? Und wie sieht es mit den lokalen Zielen aus?

Sabine Mahler: In puncto Nachhaltigkeit und Klimaschutz gibt es auf der lokalen Ebene sicherlich noch Verbesserungsmöglichkeiten. Einen guten Ansatz und ein besonders gutes Angebot in Seeheim-Jugenheim stellen für mich der Wochenmarkt (sogar mit Unverpackt-Waren) und ein Hofladen dar. Beim Klimaschutz gibt es bei der Begrünung und Vermeidung von Hitzeinseln noch einige Flächenpotentiale.

Karl Listner: Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die Agenda-Gruppe ihre bisher erfolgreiche Arbeit fortsetzen sollte und auch wird, zumal weiterhin machbare Vorschläge zur Verbesserung von vor allem gestalterischen Maßnahmen in Seeheim-Jugenheim notwendig sind. Als besonders wünschenswert betrachte ich die Verschönerung des Streckenverlaufs der L 3100 zwischen Malchen und Seeheim als „Einfahrt“ in die Bergstraße, vergleichbar mit dem weiteren Verlauf zwischen Seeheim und Heppenheim. Außerdem sind Verbesserungen auch innerörtlich sehr wünschenswert: vor allem für die Sandstraße und das kleine Einkaufszentrum von Seeheimer Grundweg.

Xavier Marc: Seit mehr als drei Jahrzehnten wird weltweit um die Ziele der Agenda 21 gerungen. Ein Durchbruch liegt aber nach wie vor in weiter Ferne. Frustriertes Abwarten oder die Hoffnung auf ein Wunder sind dennoch nicht zielführend. Jeder Mensch kann sich in seinem Umfeld einbringen, insbesondere in einem freien Land wie unserem. Die Arbeitsgruppe handelt in diesem Sinne lokal. Neue Mitstreiter sind herzlich willkommen und werden auch dringend gebraucht. An Arbeit wird es uns allen nicht fehlen!


Interview: Sabine Milewski


Bürgermeisterin Birgit Kannegießer zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgruppe Lokale Agenda 21: Ich gratuliere der Arbeitsgruppe Lokale Agenda 21 von Herzen zu ihrem 25-jährigen Bestehen und bedanke mich im Namen der Gemeinde bei allen Mitgliedern für das großartige Engagement, das dahintersteckt. Es ist sehr wichtig, dass sich Bürgerinnen und Bürger in ihrer und für ihre Kommune einsetzen und mit ihren Ideen und Anregungen Impulse zu Veränderungen geben.


Die Arbeitsgruppe Lokale Agenda 21 trifft sich alle drei Monate im Raum Kosmonosy im Verwaltungsgebäude am Georg-Kaiser-Platz. Die nächsten Termine finden am 18. September und am 20. November statt, Beginn ist jeweils im 19 Uhr. Weitere Mitstreiter sind herzlich willkommen! Moderator der Gruppe ist seit diesem Jahr Xavier Marc, der die Nachfolge des langjährigen Sprechers Prof. Karl Listner angetreten hat.

Bei Interesse oder Fragen zur Arbeitsgruppe: Xavier Marc, Tel. 06257/86 303, E-Mail

xavier.marc@posteo.de.